Nahaufnahme Charly und Elodie Nicod
Neulich waren wir in der Franche-Comté unterwegs und fanden eine dieser Landschaften, die einen still werden lassen. Wo das Gras nicht nur grün ist, sondern lebt. Wo jede Pflanze ihren Platz kennt. Und wo jeder Schritt auf dem Boden einen spüren lässt: Hier wird nicht nur gewirtschaftet – hier wird gehütet. Wir waren an einem Ort, wo eine Wiese mehr ist als eine Wiese.
Als wir von Charly und Elodie Nicod erfuhren, einem jungen Landwirtspaar im französischen Jura, war unsere Neugier geweckt. Also machten wir uns auf herauszufinden, wie Landwirtschaft im Einklang mit Natur, Tier und Mensch aussehen kann. Auf ihrem Hof „Gaec du Grand Frêne“ in Les Écorces machen die beiden vor, wie nachhaltige Praxis, tiefe Achtung vor dem Leben und moderne Innovation zusammengehen.
Dauergrünland – für die meisten eine Art Fremdwort – kann hier in Reinform betrachtet werden. Was das ist? Stellen Sie sich eine Wiese vor. Und nun stellen Sie sich dieselbe Wiese zehn Jahre später vor – ohne Umbruch, ohne Neueinsaat, ohne Kunstdünger. Noch dieselbe? Vielleicht. Aber reicher. Tiefer verwurzelt. Lebendiger. Und eine Grünfläche, die laut Charly „genauso viel Kohlenstoff speichert wie ein Wald“.
Genau das ist es, was Charly und Elodie mit ihren 67 Hektar Dauergrünland schaffen. Ihre Flächen wurden nie gepflügt, nie nachgesät – sie sind ein echtes ökologisches Erbe. Und dieses Engagement wurde belohnt: 2024 gewannen sie den Preis für agroökologische Praktiken – mit einer einzigen Parzelle, auf der ganze 75 Pflanzenarten nachgewiesen wurden. Was nach Romantik klingt, ist gelebte Wissenschaft und Intuition zugleich. Charly zeigt begeistert, was da alles blüht: Butterblumen, Klee, Wicke, Wegerich… und sogar Kümmel, der auf felsigem Untergrund wächst.
Landwirtschaft mit viel Gefühl
Was das Ehepaar tut, klingt nach Zukunft. Und gleichzeitig nach Rückbesinnung. Keine chemischen Düngemittel, kein ständiges Mähen auf Termin. „Wer am 15. Mai mäht, macht einen Fehler“, sagt Charly entschieden. „Ohne Blüten keine Samen – und ohne Samen verschwinden die Pflanzenarten. So einfach ist das.“ Also mähen sie später. Lassen stehen. Geben Raum. Sie denken Landwirtschaft nicht als Kontrolle, sondern als Beziehung.
Auch die Herdenführung zeigt diese Haltung. Die rund 40 Milchkühe und 20 Jungrinder werden nie gemeinsam auf einer Fläche gehalten. Stattdessen wechseln sie täglich – tagsüber auf trockeneren Hanglagen, nachts auf tiefgründigeren Flächen. Warum? Um Bodenverdichtung zu vermeiden. Um Streit am Futtertrog zu verhindern. Aber auch, damit die Kühe mithelfen, Samen zu verbreiten. Ja, richtig gelesen: Was tagsüber gefressen wird, wird nachts woanders „wieder ausgesät“. „Unsere Kühe helfen dabei, die Artenvielfalt zu sichern“, sagt Charly mit einem Lächeln. Und man merkt: Das ist kein Marketing-Satz. Das ist gelebte Erfahrung. Gut zu wissen: Seit zweieinhalb Jahren liefern sie biologisch zertifizierte Milch an die Kooperative in Cerneux-Monnot. Daraus wird dann leckerer COMTÉ.
Doch es bleibt nicht beim Grün. Auf 1,2 Kilometern Länge pflanzten die beiden eine Hecke. Warum? Weil sie die Böden vor Wind schützt. Weil sie Lebensraum für Bussarde schafft, die Wühlmäuse jagen. Weil hohe Bäume mit tiefen Wurzeln den Boden aufbrechen und Wasser zirkulieren lassen. Und weil Mittelsträucher ebenso gebraucht werden wie ihre großen Brüder.
Auch beim Thema Dünger gehen sie andere Wege: Der Mist wird über den Sommer kompostiert, um humusreich zu werden – nährstoffstark, aber mit reduziertem Stickstoff. Ausgebracht wird er erst im Herbst, um Auswaschungen zu vermeiden.
Landwirtschaft mit Haltung und Herz
Elodie und Charly sind keine Träumer. Sie sind Realisten mit Vision. Ihre Arbeit zeigt: Es braucht keine Hightech-Revolution, um Boden, Pflanze und Tier gerecht zu werden. Es braucht Hingabe. Wissen. Und die Bereitschaft, zuzuhören – dem Boden, den Pflanzen, den Tieren.
Und vielleicht braucht es auch ein bisschen Mut, sich gegen das „Schneller, Mehr, Weiter“ zu stellen. Was wir von ihnen lernen können? Dass nachhaltige Landwirtschaft nicht nur möglich ist, sondern Sinn macht – ökologisch, ökonomisch und menschlich. Für all das steht auch der COMTÉ, den diese Kühe hier „machen“.