Da fehlen einem die Worte
Wer sich schon einmal das berühmte COMTÉ Aromenrad näher angeschaut hat, wird zweifellos erkennen, dass hier die unzähligen Geschmacks-Deskriptoren für den COMTÉ in kreative Wortschöpfungen verpackt wurden. Wer sich jedoch anschickt, eine wirkliche COMTÉ-Verkostung zu erleben, bereitet sich am besten mit allen Sinnen darauf vor.
Um die Geschmacksnuancen eines erlesenen Käses wie dem COMTÉ detailliert sensorisch zu beschreiben, fehlen dem Laien, wie auch bei vorzüglichen Weinen, meist die Worte. Das Aromenrad kann hier weiterhelfen. Von der “Comtéologin” Claire Perrot haben wir obendrein erfahren, wie man sich optimal auf eine COMTÉ-Verkostung vorbereiten kann. Sie sagt, dies sei ein Weckruf an alle Sinne, der in mehreren Stufen erfolgt.
Schärfen Sie Ihren Sehsinn – aber lassen Sie sich nicht von ihm täuschen!
Der Sehsinn ist die erste Sinnesbarriere, die es bei einer solchen Verkostung zu umgehen gilt. Weiße Kristalle im Käse könnten fälschlicherweise für Salzkristalle gehalten werde. Doch tatsächlich handelt es sich dabei um Tyrosin, eine Aminosäure, die sich während der Reifung des COMTÉ entwickelt. Wenn Sie den COMTÉ mit diesem „Vor-Urteil“ probieren, wird Ihnen Ihr Gehirn wahrscheinlich suggerieren, dass der Käse salzig sei. Dabei ist der COMTÉ mit nur 0,8 g Salz pro 100g, also 0,8 Prozent, eine der am wenigsten salzigen Käsesorten.
Auch beim Betrachten der Farbe des Käseteigs könnten Sie Ihre Augen in die Irre führen. Sehr viele Menschen glauben nämlich, dass ein blasser Käse auch weniger Geschmack habe, doch das ist falsch. Der COMTÉ aus den Wintermonaten, wenn die Kühe im Stall Heu fressen, ist zwar deutlich blasser als der COMTÉ aus den Monaten April bis November. Das liegt vor allem daran, dass die Kühe in der warmen Jahreszeit auf der Weide stehen und dort die knallgelben Blüten, frischen Gräser und grünen Kräuter verspeisen. Die Farbstoffe gehen über die Milch natürlich auch in den Käse über und bereichern ihn zudem mit Aromen. Doch die eigentliche Geschmacksintensität wird letztlich im Prozess der Reifung entstehen. Und dafür ist mehr die Kunstfertigkeit des Reifekellermeisters zuständig.
Stufe 2: Die zwei Nasen
Nachdem der Sehsinn geschärft ist, um die feinen Details im COMTÉ wahrzunehmen, ist die zweite Achtsamkeits-Stufe zu erklimmen: Deine Nase(n) – Ja, Sie haben zwei, auch wenn Ihnen das bis heute nicht bewusst war. Dazu gleich mehr…
Zunächst ist es wichtig, Ihre erste Nase richtig zu benutzen. Bringen Sie dazu das Stück COMTÉ vor Ihre Nasenflügel und riechen Sie kräftig an der Mitte des Käseteigs. Nun werden Sie bereits erste Gerüche wahrnehmen, die Sie nach eigenem Ermessen definieren werden, meist ganz anders als die anderen Personen, die mit Ihnen im Raum sind. Vielleicht tauschen Sie sich darüber aus, was Sie erkennen, aber auch über Ihre jeweiligen Erinnerungen oder Empfindungen bezüglich dieser Gerüche.
Dann geht es darum, die Talente Ihrer „zweiten“ Nase zu entdecken. Dazu sollten Sie das Käsestück in der Mitte aufbrechen, genau vor Ihrer Nase, und daran riechen. Soeben haben Sie nicht nur eine neue Oberfläche freigelegt, sondern zugleich eine neue Geruchswelt eröffnet. Neue Duftmoleküle sind herausgetreten und treffen auf Ihren Geruchssinn. Dadurch können Sie im „zweiten Zug“ ganz andere Noten erkennen – manchmal frischer, manchmal intensiver – immer anders. Dies ist sehr individuell und extrem spannend.
Von der Hand in den Mund
Allmählich nähern wir uns dem Höhepunkt der Verkostungs-Kunst eines echten Feinschmeckers. Die nächste Etappe ist Ihr Mund mit den unzähligen Geschmacks-Papillen. Allerdings ist vielen Menschen gar nicht bewusst, dass die Gerüche, die sie mit der Nase erschnuppern, erst im Mund zu Aromen werden.
Doch zunächst nehmen Sie im Mund die taktilen Empfindungen wahr: die Textur des Käses, die Elastizität des Teigs, seine Mikrostruktur, seine Cremigkeit, aber auch die Temperatur. Dann unterscheiden Sie grob die Geschmacksrichtungen süß, salzig, sauer, bitter oder umami. Der noch junge COMTÉ löst durch seine Weichheit oft eine Wahrnehmung von leichter Süße aus. Manchmal werden Sie auch einen Hauch von Säure oder Bitterkeit schmecken. Asiaten finden viel Umami im COMTÉ, was wir Europäer dagegen nur schwer erkennen können. Der Trigeminusnerv nimmt auch Empfindungen wie scharf, brennend oder adstringierend wahr.
Probieren Sie es mal aus: Wenn Sie sich beim Essen die Nase zuhalten, schmecken Sie weiterhin süß, salzig, sauer, bitter oder umami, aber keine Aromen mehr. Sie haben den Zugang zu Ihrem Riechkolben oder Epithel versperrt. Diese kleine Gehirnregion ist über die retronasale Verbindung mit dem Mund gekoppelt und verarbeitet die Geruchsinformationen. Machen Sie Ihre Nase frei, während Sie kauen und durch die Magie des Epithels werden die Aromen neu belebt. Ein Erlebnis!